Sonderforschungsbereich 1368 – Sauerstofffreie Produktion
Prozesse und Wirkzonen in sauerstofffreier Atmosphäre zur Entwicklung zukunftsfähiger Produktionstechniken und Fertigungsverfahren
In allen technisch genutzten Schutzgas- und Vakuumatmosphären befinden sich noch ausreichend Sauerstoffmoleküle, die zu einer raschen Oxidation von Metalloberflächen führen. Dadurch sind viele Verarbeitungs- und Fügeprozesse in ihren Möglichkeiten limitiert. Der Sonderforschungsbereich 1368 „Sauerstofffreie Produktion“ beruht auf der Idee, dem Schutzgas Argon eine kleine Menge Silan (wenige ppm) beizumengen. Das Silan reagiert mit dem Restsauerstoff und Wasser in der Atmosphäre und senkt den Partialdruck des Sauerstoffs auf weniger als 10-23 bar. Dieser Partialdruck ist äquivalent zu extrem hohen Vakua (XHV-adäquate Atmosphäre). Der SFB befasst sich mit der Entwicklung und Erforschung konkreter produktionstechnischer Verfahren des Urformens, Umformens, Fügens, Trennens und Beschichtens in einer sauerstofffreien Umgebung.
Teilprojekt B04 „Klebstoffbasierte Montageprozesse in XHV-adäquater Atmosphäre mit desoxidierten und oxidierten Fügepartnern“
Projektleiter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Maus-Friedrichs, Prof. Dr. Ing. Annika Raatz
Förderphase 1: 01/2020 – 12/2023
Förderphase 2: 01/2024 – 12/2027
Förderstelle: DFG
Bearbeiter: M. Sc. Philipp Moritz, Dr. rer. nat. Lienhard Wegewitz
Die Fügetechnologie des Klebens nimmt in der Montagetechnik eine zunehmend wichtige Rolle ein. Im Gegensatz zu anderen Fügeverfahren, wie Schweißen oder Löten, ermöglicht Kleben den Aufbau von Hybridstrukturen, also die Verbindung von ungleichen Werkstoffen. In XHV-adäquater Atmosphäre können Metalle theoretisch ohne zwischenliegende Oxidschichten geklebt werden. Diese direkte Verbindung bietet Potenzial für eine höhere Festigkeit der Verbindung, neue Fügepartner-Klebstoff-Kombinationen und dünnere Schicht-dicken. Es ist Ziel des Teilprojektes, Erkenntnisse über technische Eigenschaften von Klebverbindungen zu gewinnen, die in XHV-adäquater Atmosphäre und mit desoxidierten Fügepartnern hergestellt wurden, und Möglichkeiten der daraus abgeleiteten neuen Prozessgestaltung zu erforschen. Die Herausforderung beim sauerstofffreien Kleben besteht darin, dass zum einem die Adhäsionsmechanismen durch Oxidschichten beeinflusst werden, zum anderen aber auch die Abbindereaktion von speziellen Klebstoffen durch Sauerstoff oder Wasser verlangsamt oder begünstigt wird. Die Abwesenheit von Sauerstoff und Feuchtigkeit in einer XHV-adäquaten Umgebung wirkt sich somit grundlegend auf die Eigenschaften einer Klebverbindung und den Klebprozess aus.
Teilprojekt C01 „Aufklärung von Mechanismen und Prozessen zur Desoxidation von Werkstoffoberflächen sowie deren Implementierung im Labor- und Technikumsmaßstab"
Projektleiter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Maus-Friedrichs, Dr. rer. nat. Sebastian Dahle
Förderphase 1: 01/2020 – 12/2023
Förderphase 2: 01/2024 – 12/2027
Förderstelle: DFG
Bearbeiter: B.Sc. Maria Argurusi
Die Desoxidation der Oberflächen von Halbzeugen ist ein essentieller Teil bei der sauerstofffreien Fertigung. Die Aufklärung der Mechanismen, welche eine Desoxidation vermitteln, stellt darüber hinaus eine wichtige Grundlage im Projektbereichen A und B und bei der Arbeit mit oxidbehafteten Halbzeugen dar. Im Projekt werden daher die Mechanismen untersucht, die zur Desoxidation von Halbzeugen genutzt werden können. Es werden dabei sowohl die thermische als auch die plasmachemische Reduktion von Oxiden der für den SFB wesentlich Konstruktionswerkstoffe Eisen, Kupfer, Aluminium und Titan adressiert. Ausgehend von grundlegenden Untersuchungen der Mechanismen, der Reaktionskinetik und der beteiligten Prozesse wird eine Beschreibung der thermischen und der plasmachemischen Desoxidation formuliert. Dieser Erkenntnisgewinn wird im weiteren Schritt auf den Technikumsmaßstab übertragen, dort validiert und die Beschreibung geeignet erweitert. So soll eine Nutzung der Ergebnisse in den weiteren Teilprojekten insbesondere der Projektbereiche A und B ermöglicht werden. Darüber hinaus werden gemeinsam dortige Fragestellungen adressiert, indem die Beobachtungen der weiteren Teilprojekte in Modellexperimenten nachgestellt werden. Nur in der engen Zusammenarbeit im SFB können somit weitere Effekte aus den Beobachtungen aufgeklärt und grundlegend beschrieben werden.
Teilprojekt C02 „Pulver-Desoxidation"
Projektleiter: Prof. Dr. rer. nat. Alfred Weber
Förderphase 1: 01/2020 – 12/2023
Förderphase 2: 01/2024 – 12/2027
Förderstelle: DFG
Metallische Pulver kommen in zahlreichen Fertigungsverfahren (z. B. Fügeprozesse, Additive Fertigung, Beschichtung) als Zusatz- und Ausgangswerkstoffe zum Einsatz, deren im vorliegenden SFB geplante sauerstofffreie Verarbeitung eine vorherige Desoxidation erfordert. In diesem Projekt sollen gasgetragene Partikel durch plasma-induzierte chemische Prozesse in reduzierenden Gasen (Wasserstoff und Silan in Inertgas) von ihren Oxidschichten befreit werden. Um einen gut skalierbaren Prozess zu realisieren, soll die Desoxidation in einer Wirbelschicht durchgeführt werden. Im Gegensatz zu Flugstromreaktoren ermöglicht die Wirbelschicht höhere Konzentrationen und Verweilzeiten, bei gleichzeitig kontrollierten Bedingungen. Dabei wird die Desoxidation in einer zirkulierenden Wirbelschicht durchgeführt, um die zu desoxidierenden Partikel immer wieder an und oder durch die reaktiven Plasmazonen durchzuführen. Nach erfolgreicher Desoxidation werden die Partikel aus der Wirbelschicht über einen Zyklonabscheider ausgetragen und für den Versand vorbereitet oder direkt in einen entsprechenden Weiterverarbeitungsschritt eingeführt.
Teilprojekt S01 „Zentrale Analytik“
Projektleiter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Maus-Friedrichs, Dr. rer. nat. René Gustus
Förderphase 1: 01/2020 – 12/2023
Förderphase 2: 01/2024 – 12/2027
Förderstelle: DFG
Bearbeiter: M. Sc. Maik Szafarska
Das Teilprojekt Zentrale Analytik dient der einheitlichen Analyse und Beschreibung der Ober- und Grenzflächen der verschiedenen Teilprojekte im SFB. Das Ziel des Teilprojektes ist der Aufbau und die Bereitstellung einer zentralen Analytik-Infrastruktur mit der Aufgabe, die anderen Teilprojekte des SFB1368 bei der Aufklärung projektrelevanter Oberflächen- und Grenzflächenprozesse zu unterstützen. Das wissenschaftliche Kerninteresse liegt insbesondere bei der Aufklärung der grundlegenden Mechanismen der Wechselwirkung der Fügepartner, den Vorgängen bei mechanischen Behandlungen unter sauerstofffreien Bedingungen sowie der Untersuchung der Diffusion von Metallen in andere Metalle beim oxidfreien Kontakt. Der Aufbau einer zentralen Infrastruktur bei der Analyse der Ober- und Grenzflächen soll insbesondere die für die Ergebnisdiskussion und Modellbildung notwendige Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit von Messungen sicherstellen. Das Teilprojekt Zentrale Analytik übernimmt hierbei die Planung, Durchführung und Auswertung der Messungen und organisiert darüber hinaus den Probentransport zwischen den Teilprojekten. Bei allen Prozessschritten, von der Planung bis hin zur Ergebnisdokumentation, steht die Zentrale Analytik im engen Kontakt mit den beauftragenden Teilprojekten. Um den, für die kooperierenden Teilprojekte dringend notwendigen, sauerstofffreien Transport zwischen den XHV-adäquaten Laborkammern und den jeweiligen Messapparaturen der Zentralen Analytik sicherzustellen, ist der Aufbau eines geeigneten Probentransportsystems vorgesehen. Der Probentransport gliedert sich hierbei in zwei Phasen. In Phase 1 werden die zu untersuchenden Proben über geeignete Transportbehälter in XHV-adäquater Atmosphäre zur Zentralen Analytik transportiert und vor Ort in eine Transferkammer überführt. In Phase 2 werden die Proben dann über spezielle Transfersysteme zu den jeweiligen Messapparaturen transferiert. Vor dem Start des regulären Messbetriebs wird eine ausführliche Validierung des geplanten Probentransports durchgeführt. Hierfür werden wohldefinierte oxidfreie Kontrollproben präpariert, welche jede Phase des Probentransports durchlaufen. Sobald sichergestellt ist, dass keine Sauerstoffkontaminationen während des Probentransports auftreten, wird das Probentransportsystem im regulären Betrieb eigesetzt.
Teilprojekt T01 „Nutzung von Dielectric Barrier Discharge (DBD) Plasmen beim Längs- naht-Hochfrequenzschweißen zur Realisierung sauerstofffreier Fertigungsbedingungen“
Projektleiter: Dr.-Ing. Henning Wiche
Förderzeitraum: 01/2024 – 12/2026
Förderstelle: DFG
Bearbeiter: M.Sc. Viktor Udachin
Schweißnahtfehler in Form von oxidischen Einschlüssen stellen beim Längsnaht-Hochfrequenzschweißen ein wesentliches Fertigungsproblem dar. Hier setzt das vorliegende Forschungsvorhaben an. Im Bereich der Aufheizstrecke soll eine Plasmabehandlungseinheit, ausgeführt als Plasmajet, unter zusätzlicher Einleitung reduzierender Schutzgasgemische wie Argon/Silan oder Argon/Wasserstoff zur Desoxidation der Bandkanten integriert werden. Das Plasma aktiviert die Gase und ermöglicht damit eine wirksame Desoxidation. Der Arbeitsgasstrom sorgt dabei für eine lokale XHV-adäquate Atmosphäre während des Schweißprozesses. Die Ausführung des Plasmas als dielektrische Barrierenentladung (DBD) verhindert die zusätzliche Einbringung thermischer Energie in den Prozess. Die Grundlagen für den Einsatz von DBDs zur Metall-Desoxidation in sauerstofffreier Atmosphäre wurden erfolgreich im Rahmen der ersten Förderperiode im Teilprojekt C01 im Labormaßstab entwickelt und werden dort und in anderen Teilprojekten des SFB zur Desoxidation eingesetzt. Neben dieser Zielstellung sollen zudem die Auswirkungen auf den Schweißprozess detailliert analysiert werden. So existieren beim Hochfrequenzschweißen in Abhängigkeit der Energieeinbringung drei charakteristische Schweißspaltformen, wobei eine räumliche Trennung zwischen Bandkantenkonvergenz- und Schweißpunkt auftreten kann. Die Vorgänge im sich einstellenden Schweißspalt sind komplex. Vor allem die stochastisch auftretende Lichtbogenbrückenbildung am Konvergenzpunkt sowie der Schmelzbadauswurf im Schweißspalt durch die wirkenden elektromagnetischen Felder in Abhängigkeit der Lichtbogenfrequenz am Bandkantenkovergenzpunkt stellen Herausforderungen für die Prozessführung dar. Etwaige positive wie negative Einflüsse des Plasmas gilt es vollumfänglich zu untersuchen. Durch die Realisierung eines sauerstofffreien Fertigungsprozesses sollen beim Anwendungspartner die Schweißnahtqualitäten (gekennzeichnet durch die erreichbaren Kerbschlagzähigkeiten) gesteigert, die Prozessausbeute erhöht und die Möglichkeit zur Erweiterung des Produktportfolios erreicht werden. Darüber hinaus können die Erkenntnisse zur gezielten prozessintegrierten Desoxidation mittels Plasmajet gemeinsam mit den Erfahrungen aus Teilprojekt C01 als Wissensbasis für andere Teilprojekte des SFB genutzt werden.